Definition
Ausgleichsmandate sind Zusatzmandate, die andere Parteien erhalten, wenn eine Partei Überhangmandate bekommen hat. Ziel ist eine Zusammensetzung des Parlaments, die dem Verhältnis der abgegebenen Stimmen entspricht. Beim Auftreten von Überhangmandaten kann dies nur erreicht werden durch
- die Nichtzuteilung von Überhangmandaten, was in der Regel nicht gewollt ist (Direktmandate als Ergebnis des personalisierenden Elements einer Verhältniswahl sind quasi unantastbar) oder
- der Verteilung von Zusatzmandaten (Ausgleichsmandaten).
In einigen Fällen ist die Anzahl der Ausgleichsmandate nach oben begrenzt, um ein übertriebenes Aufblähen der Größe des Parlaments zu verhindern (Teilausgleich).
Begriffsklarstellung
Als Ausgleichsmandate werden hier ausschließlich Mandate angesehen, die nur dann auftreten, wenn auch Überhangmandate entstanden sind.
Gelegentlich findet man diese Bezeichnung auch für die Listenmandaten bei der personalisierten Verhältniswahl, da die Listenmandate die Proporzverzerrung der Direktmandate ausgleichen.
Probleme
Bei der Zuteilung von Ausgleichsmandaten, treten eine Reihe von Problemen auf, die zum Teil unvermeidlich sind, zum Teil aber durch Designfehler in der Ausgleichsmandatsverteilung sind.
- Die Gesamtmandatszahl im Parlament ist nicht mehr konstant und kann weit über der optimalen Größe liegen.
- Prinzipielles Ausgleichsmandatsproblem:
Da Ausgleichsmandate diskret (als ganzzahlige Mandate) zugeteilt werden, werden Mandate nicht proportional zugeteilt und eine kleinere Partei kann mehr Ausgleichsmandate erhalten als eine größere Partei. So hat die FDP bei der Landtagswahl 1996 in Baden-Württemberg – bei der wegen der CDU-Überhänge Ausgleichsmandate verteilt wurden – mehr Stimmen bekommen als die Republikaner. Trotzdem erhielten die Republikaner mehr Ausgleichsmandate (drei) als die FDP (zwei).
Prinzipiell, da unvermeidbar: Es ist immer möglich, dass eine kleine Partei ein Ausgleichsmandat für ein Überhangmandat einer großen Partei bekommt oder alle anderen Parteien bekommen ein Ausgleichsmandat.
- Ausgleichsmandatsparadoxon (ganz viele)
- Einen ganz expliziten Designfehler gibt es in Sachsen-Anhalt. Dort gibt es keinen Ausgleich (oder gar negative Ausgleichsmandate) wenn die überhängende Partei besonders wenige Stimmen bekommen hat.
- Ausgleichsmandate bergen immer die Gefahr des negativen Stimmgewichts, da sie im Prinzip den Gewinn von zu vielen Direktmandaten bestrafen.
- Fragwürdig sind auch Regelungen, bei denen Ausgleichsmandate bezirksweise zugeteilt werden (Baden-Württemberg, Bayern, …). Dadurch wird der vorher konstruierte Proporz der Bezirke untereinander wieder beseitigt und auch ein Proporz unter den Parteien wird in der Regel nicht hergestellt.
- In Niedersachsen kann ein Ausgleichsmandat an die überhängende Partei selbst fallen.
- Problematisch ist auch der Versuch interne Ausgleichsmandate für interne Überhangmandate zu verteilen (Beispiel Baden-Württemberg).
- Das Quotenverfahren mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) ist für eine Ausgleichsmandatsregelung denkbar ungeeignet, da dieses Verfahren eine konstante Anzahl von Mandaten erfordert. Ist dies nicht der Fall (z. B. bei Ausgleichsmandaten) kann das Alabama-Paradoxon auftreten und zum Ausgleichsmandatsparadoxon führen.
- Bei der Berechnung einer neuen Gesamtmandatszahl treten in einigen Wahlgesetzen Regelungslücken auf.
- Bei der Bundestagswahl könnten Überhangmandate nicht problemlos ausgeglichen werden, da es sich hier nur um interne Überhangmandate handelt.
- In Berlin galt bis zur Abgeordnetenhauswahl 2001 in der Landeswahlordnung eine komplizierte Anrechnungsregelung, die dazu führte, dass ein nach Landeswahlgesetz zugeteiltes Mandat einer Bezirksliste wieder genommen und einer anderen Bezirksliste als Ausgleichsmandat zugeteilt wurde (negatives Ausgleichsmandat). Die Formulierung der Wahlordnung führte zu mindestens drei unterschiedlichen Berechnungsverfahren durch den Landeswahlleiter.
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