Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin |
[Wahlprüfung] |
In dem Wahlprüfungsverfahren |
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des Herrn Carsten Wilke | |
– Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin B. M. –, |
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gegen seine Nichtberufung in das Abgeordnetenhaus von Berlin, | |
Weitere Beteiligte gemäß § 41 VerfGHG: | |
1. Fraktion der SPD im Abgeordnetenhaus von Berlin, |
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hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin | |
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2003 für Recht erkannt: | |
Entscheidungsformeln: |
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Es wird festgestellt, dass dem für die Bezirksliste Tempelhof-Schöneberg der CDU für ein zweites Listenmandat ins Abgeordnetenhaus von Berlin berufenen Abgeordneten kein Sitz im Abgeordnetenhaus von Berlin zusteht. Es wird angeordnet, dass der Einsprechende als Abgeordneter in das Abgeordnetenhaus von Berlin zu berufen ist. | |
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. | |
Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten. | |
Gründe: |
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I. |
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Der Einsprechende begehrt mit seinem Einspruch seine Berufung auf einen Sitz im Abgeordnetenhaus von Berlin. Er beanstandet die Verteilung der der CDU auf Grund des Wahlergebnisses zustehenden Sitze auf ihre einzelnen Bezirkslisten in den Wahlkreisverbänden. | 1 |
Der Einsprechende kandidierte zu der am 21. Oktober 2001 durchgeführten Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin als Bewerber auf Platz 2 der Bezirksliste der CDU für den Wahlkreisverband Treptow-Köpenick. Nachdem zunächst – vor Berücksichtigung von Überhang- und Ausgleichsmandaten – die ersten beiden Plätze aus dieser Bezirksliste gemäß § 17 Abs. 3 des Landeswahlgesetzes – LWahlG – als berücksichtigungsfähig errechnet worden waren, stellte der Landeswahlausschuss in seiner Sitzung vom 7. November 2001 in Anwendung von § 73 Abs. 6 Buchst. d der Landeswahlordnung – LWahlO – als endgültiges Wahlergebnis fest, dass nur ein Listenmandat auf die Bezirksliste Treptow-Köpenick entfalle. Als vorrangig berufen sah der Ausschuss nach der wegen des Vorliegens von Überhang- und Ausgleichsmandaten vorgenommenen Neuberechnung den Kandidaten der CDU auf Platz 2 der Bezirksliste Tempelhof-Schöneberg an, der auch Mitglied des Abgeordnetenhauses wurde und für den zwischenzeitlich der Beteiligte zu 9. nachgerückt ist. Das endgültige Wahlergebnis wurde am 27. November 2001 im Amtsblatt von Berlin (S. 5153 ff. <5176, 5180 f.>) bekannt gemacht. | 2 |
Im einzelnen ermittelte der Landeswahlausschuss die Sitzverteilung auf die Bezirkslisten zunächst ohne Ausgleich der Überhangmandate wie folgt: Nach dem Wahlergebnis konnte die CDU von den 130 Grundmandaten des Abgeordnetenhauses (§ 7 Abs. 2 LWahlG) aufgrund des gemäß § 17 Abs. 2 LWahlG/§ 73 Abs. 4 LWahlO anzuwendenden Verfahrens der mathematischen Proportion (Hare-Niemeyer) 32 Grundmandate beanspruchen. Die Verteilung der Grundmandate auf die zwölf Bezirkslisten der CDU erfolgte gemäß § 17 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 LWahlG/§ 73 Abs. 5 LWahlO, indem auf Grund des Verfahrens der mathematischen Proportion für jeden Wahlkreisverband gesondert die Anzahl der Zweitstimmen in diesem Wahlkreisverband mit der Zahl der Grundmandate von 32 multipliziert und dann durch die Gesamtzahl der Zweitstimmen der CDU aus allen Wahlkreisverbänden (385.692) geteilt wurde. Daraus ergaben sich für die Bezirksliste Treptow-Köpenick zwei Grundmandate in Gestalt von zwei Listenmandaten. Auf die Bezirksliste Tempelhof-Schöneberg entfielen nach dieser Berechnung vier Grundmandate in Gestalt von einem Listenmandat und drei Direktmandaten. | 3 |
Anschließend erhöhte sich für die CDU auf Grund zweier Überhangmandate aus der Bezirksliste Reinickendorf in Anwendung des § 19 Abs. 1 LWahlG/§ 73 Abs. 6 Buchst. c LWahlO die Zahl der Mandate auf 34. Da zudem die SPD drei Überhangmandate sowie die PDS ein Überhangmandat errungen hatten, erfolgte nach § 19 Abs. 2 LWahlG/§ 73 Abs. 6 Buchst. d Sätze 1 bis 4 LWahlO eine Erhöhung der Anzahl der Sitze des Abgeordnetenhauses durch Ausgleichsmandate auf eine Gesamtsitzzahl von 141, um unter Einbeziehung der Überhangmandate die Sitzverteilung im Wahlgebiet nach dem Verhältnis der gesamten Zweitstimmenzahl der Parteien im Wahlgebiet zu gewährleisten. Daraus ergaben sich neben den 130 Grundmandaten und sechs Überhangmandaten fünf zusätzliche Ausgleichsmandate, die gemäß § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 5 LWahlO auf die Landes- und Bezirkslisten der Parteien unter Anwendung des Verfahrens der mathematischen Proportion (Hare-Niemeyer) verteilt wurden. Dabei entfiel auf die CDU ein Ausgleichsmandat. Im Hinblick auf die damit für die CDU angefallenen 35 Mandate nahm der Landeswahlausschuss gemäß § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 6 LWahlO eine Neuverteilung der Mandate auf die Bezirkslisten vor. Hierzu wurde für jede Bezirksliste die von ihr errungene Zweitstimmenzahl zugrunde gelegt, die um die Zahl der für die Direktmandate anzurechnenden Zweitstimmen vermindert wurde. Diese noch anzurechnenden Zweitstimmen wurden multipliziert mit der Zahl der 35 Mandate abzüglich der von der CDU insgesamt errungenen 19 Direktmandate und durch die Summe der noch anzurechnenden Zweitstimmen aller Bezirkslisten der CDU geteilt. Hieraus ergab sich für jede Bezirksliste eine Berechnungszahl, auf Grund derer die restlichen 16 Mandate (also 35 Mandate abzüglich der 19 Direktmandate) nach Ganzzahl und Zahlenbruchteil auf die Bezirkslisten verteilt wurden. Auf die Bezirksliste Treptow-Köpenick mit der Berechnungszahl 1,4042 entfiel danach von den zehn nach Ganzzahl zu vergebenden Listenmandaten ein Listenmandat, und zwar nur dieses. Die übrigen zu vergebenden sechs Listenmandate wurden in der Reihenfolge der – unstreitig rechnerisch richtig ermittelten – höchsten Zahlenbruchteile auf Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln, Charlottenburg-Wilmersdorf, Pankow, Steglitz-Zehlendorf und zuletzt Tempelhof-Schöneberg verteilt. Die Anwendung des § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 6 LWahlO hatte damit zur Folge, dass im Vergleich zur Verteilung der Mandate in Anwendung des § 17 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 LWahlG die Bezirksliste Steglitz-Zehlendorf in Gestalt des Ausgleichsmandats sowie die Bezirksliste Tempelhof-Schöneberg jeweils ein Listenmandat mehr erhielten. Der Bezirksliste Treptow-Köpenick wurde anstelle von zwei Listenmandaten nur noch ein Listenmandat zugeteilt, weswegen der lediglich auf Platz 2 der Bezirksliste kandidierende Einsprechende nicht in das Abgeordnetenhaus berufen wurde. | 4 |
Der Einsprechende macht mit seinem am 26. November 2001 beim Verfassungsgerichtshof eingereichten Einspruch geltend, er sei auf einen Sitz im Abgeordnetenhaus zu berufen, weil das Ergebnis, dass nur ein Listenmandat auf die Bezirksliste Treptow-Köpenick entfallen sei, auf einer fehlerhaften Anwendung der gesetzlichen Regelungen beruhe. Es müsse bei der ursprünglichen, auf § 17 LWahlG beruhenden Berechnung der Sitze mit der Folge von zwei Listenmandaten für die Bezirksliste Treptow-Köpenick verbleiben. Die Anwendung des § 73 Abs. 6 Buchst. d LWahlO, der Grundlage der – auch aus seiner Sicht rechnerisch richtigen – Nachberechnung sei, widerspreche der gesetzlichen Regelung des § 17 LWahlG. § 17 LWahlG regele das Verfahren der Zuteilung der Sitze. Demgegenüber regele § 19 LWahlG (nur) den Ausgleich der Überhangmandate durch Erhöhung der Sitze des Abgeordnetenhauses durch Ausgleichsmandate, um so unter Einbeziehung der Überhangmandate das Verhältnis der Parteien zueinander in Bezug auf die Zweitstimmenzahl zu gewährleisten. Der gesetzlich in § 19 Abs. 2 LWahlG erteilte Regelungsbefehl gehe also dahin, die Anzahl der Sitze zu erhöhen. Er gehe nicht dahin, die nach § 17 LWahlG bereits für die einzelnen Bezirkslisten ermittelte Anzahl der Sitze – für eine Bezirksliste – wieder zu reduzieren. § 17 LWahlG teile zu, § 19 LWahlG „erhöhe“ und nehme nicht fort. Dieses Regelungsergebnis werde durch die Landeswahlordnung gestört. § 34 LWahlG als Ermächtigungsnorm für die Landeswahlordnung enthalte keine Regelung, der Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung entnommen werden könne. Deswegen sei die Landeswahlordnung unwirksam, und § 73 LWahlO hätte keine Anwendung finden dürfen. Jedenfalls schließe der höherrangige § 17 LWahlG die Anwendung der Landeswahlordnung aus. | 5 |
Der Beteiligte zu 6. hat sich den Bedenken des Einsprechenden im wesentlichen angeschlossen und führt aus: Es sei zweifelhaft, ob § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 6 LWahlO im Einklang mit den Bestimmungen des Landeswahlgesetzes stehe. Der Wortlaut des § 17 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 LWahlG, durch den ein parteiinterner Proporz erreicht werden solle, lege es nahe, dass es sich um eine abschließende Bestimmung handele, deren Ergebnis nicht durch eine spätere Neu- oder Umverteilung auf Grund von Überhang- und Ausgleichsmandaten relativiert werden solle. § 19 LWahlG sehe keine völlige Neuberechnung der parteiinternen Mandatsverteilung vor. Vielmehr verlange § 19 Abs. 2 LWahlG für den Fall, dass Überhangmandate errungen würden, lediglich, dass das Verhältnis der gesamten Zweitstimmenzahl der Parteien im Wahlgebiet durch die Zuteilung von Ausgleichsmandaten zu gewährleisten sei. Von einer Wahrung auch des parteiinternen Proporzes spreche § 19 Abs. 2 LWahlG dagegen nicht. Es bestünden Bedenken, § 19 Abs. 2 Satz 2 LWahlG, wonach das Nähere über die Berechnung in der Landeswahlordnung zu bestimmen sei, als Grundlage für eine völlige Neuberechnung der parteiinternen Verteilung der Sitze auf die Bezirkslisten einer Partei heranzuziehen. | 6 |
Der Landeswahlleiter ist der Auffassung, sich zu Recht auf § 73 Abs. 6 Buchst. d LWahlO gestützt und die Verteilung der Sitze zutreffend vorgenommen zu haben. Die auf § 19 Abs. 2 Satz 2 LWahlG beruhende Regelung des § 73 LWahlO folge den durch §§ 17 und 19 LWahlG vorgegebenen Berechnungsschritten. Im Falle eines Überhangs sei die zunächst entsprechend dem Proporz zwischen den Bezirkslisten einer Partei ermittelte Verteilung der Sitze nicht maßgebend. Ohne eine Erhöhung der Gesamtzahl der Sitze für die Partei könnten aus den Bezirkslisten, die keinen Überhang aufwiesen, nur so viele Listenmandate verteilt werden, wie es nach Abzug des Überhangs dem Proporz entspreche. Eine Anwartschaft oder gar ein Anspruch auf Zuteilung eines Sitzes könne damit aus der ersten Berechnung nach § 17 LWahlG bei einem Überhang gerade nicht gefolgert werden, sie sei dann eine Zwischenrechnung. Im Rahmen der hier maßgebenden Verhältniswahl könne Maßstab einer rechtlichen Regelung zur Verteilung nach den Zweitstimmen bei entstandenen Überhängen nur die Wiederherstellung der durch den Überhang gestörten Proportionalität sein. Die Landeswahlordnung konkretisiere das im Landeswahlgesetz angelegte mathematische Verfahren zur Berechnung des Verhältnisausgleichs und zur Verteilung der so ermittelten Mandate und vermeide das Entstehen neuer Überhangmandate. Die Neuberechnung der erhöhten Gesamtzahl der Mandate sei eine eigenständige Folgeregelung, die auf der Ermächtigung des § 19 Abs. 2 Satz 2 LWahlG beruhe und das in § 17 LWahlG festgelegte Rechenverfahren weiter ausforme. | 7 |
Die Beteiligte zu 3. hält es für problematisch, dass letztlich die Landeswahlordnung regele, wer in das Abgeordnetenhaus komme. | 8 |
II. |
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1. Der fristgemäß beim Verfassungsgerichtshof eingegangene Einspruch (§ 40 Abs. 4 Sätze 1 und 5 VerfGHG) ist gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 5 VerfGHG zulässig. Die Einspruchsgründe des § 40 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3, 4, 6 und 7 VerfGHG scheiden hingegen von vornherein inhaltlich aus. Der Einsprechende kann sich auch nicht darauf stützen, es seien sonst Vorschriften des Grundgesetzes, der Verfassung von Berlin, des Landeswahlgesetzes und der Landeswahlordnung bei der Vorbereitung oder der Durchführung der Wahlen oder bei der Ermittlung des Wahlergebnisses in einer Weise verletzt worden, dass dadurch die Verteilung der Sitze beeinflusst worden sei (§ 40 Abs. 2 Nr. 8 VerfGHG). Gemäß § 41 Abs. 3 Nr. 3 VerfGHG ist insofern nicht schlechthin jeder Bewerber, sondern nur ein sog. Einzelbewerber einspruchsberechtigt. | 9 |
Gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 5 VerfGHG kann der Einspruch darauf gestützt werden, dass ein Bewerber zu Unrecht berufen oder nicht berufen worden sei. Der betroffene Bewerber ist gemäß § 41 Abs. 3 Nr. 1 VerfGHG einspruchsberechtigt. Allerdings hatte der Gesetzgeber des im Wesentlichen inhaltsgleichen § 3 Abs. 2 Buchst. e des Wahlprüfungsgesetzes vom 16. Oktober 1958 (GVBl. S. 1021) für diesen Einspruchsgrund die Konstellation im Auge, dass ein gewählter Bewerber aus in dessen Person liegenden Gründen nicht berufen wird (vgl. Abghs-Drs II/1746, S. 4 zu Buchst. e). Der Wortlaut der Vorschrift des § 40 Abs. 2 Nr. 5 VerfGHG schließt jedoch Konstellationen nicht aus, in denen eine Berufung des Bewerbers – wie hier – aus anderen Gründen nicht erfolgt. „Unrecht“ im Sinne dieser Vorschrift ist auch ein Unrecht aus Verfassungsgründen (vgl. Beschluss vom 17. März 1997 – VerfGH 90/95 – LVerfGE 6, 32 <38> zur Rüge von Bewerbern, infolge der von ihnen für verfassungswidrig gehaltenen Sperrklausel nicht in Bezirksverordnetenversammlungen berufen worden zu sein). Entsprechend ist der Einspruchsgrund auch einschlägig, wenn der einsprechende Bewerber – wie hier – rügt, er sei wegen der Anwendung einer rechtswidrigen und damit unwirksamen Verordnungsvorschrift nicht in das Abgeordnetenhaus berufen worden. | 10 |
Der Einsprechende hat davon abgesehen, in der Begründung seines Einspruchs ausdrücklich durch Zitierung der Vorschrift des § 40 Abs. 2 Nr. 5 VerfGHG einen der Gründe zu bezeichnen, auf die nach § 40 Abs. 2 VerfGHG der Einspruch einzig gestützt werden kann. Gleichwohl ist der Einspruch nicht mangels Erfüllung des Begründungserfordernisses (vgl. § 40 Abs. 4 Satz 1 VerfGHG) unzulässig. Die Angabe der Gründe ist allerdings für den eingelegten Einspruch deshalb von besonderem Gewicht, weil nach § 40 Abs. 2 VerfGHG von den jeweiligen Gründen der Kreis der Einspruchsberechtigten abhängig ist. Bisher hat der Verfassungsgerichtshof nicht abschließend entschieden, ob die sinngemäße Bezeichnung eines Einspruchsgrundes ausreicht (Beschlüsse vom 21. Februar 2000 – VerfGH 123/99 und VerfGH 124/99 –). Dem Begründungserfordernis muß es aber genügen, wenn sich der Einspruchsschrift eindeutig entnehmen läßt, auf welchen der Einspruchsgründe der Einsprechende sich stützen will, was hier zu bejahen ist. Der Einsprechende führt im Einzelnen aus, dass der Landeswahlleiter ihn infolge der Anwendung der Landeswahlordnung rechtswidrigerweise nicht in das Abgeordnetenhaus berufen habe, und stellt den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge diese Entscheidung korrigieren und seine Berufung anordnen. Für dieses Begehren kommt allein der Einspruchsgrund des § 40 Abs. 2 Nr. 5 VerfGHG in Betracht. Es wäre reiner Formalismus, dem Einspruch nur deswegen die Zulässigkeit abzusprechen, weil der Einsprechende die Vorschrift nicht ausdrücklich benennt. | 11 |
2. Der Einspruch ist auch begründet. Der Einsprechende ist in das Abgeordnetenhaus von Berlin zu berufen, da der Bezirksliste Treptow-Köpenick der CDU zwei Listenmandate zustehen. Demgegenüber entfällt auf die Bezirksliste Tempelhof-Schöneberg lediglich ein Listenmandat bei insgesamt vier Mandaten. Dies hat die Abberufung des das dortige zweite Listenmandat in Anspruch nehmenden Beteiligten zu 9. zur Folge. | 12 |
a) Gemäß Art. 39 Abs. 1 VvB werden die Abgeordneten in allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahl gewählt. Alles Nähere, insbesondere über den Ausschluss vom Wahlrecht und von der Wählbarkeit sowie über das Ruhen des Wahlrechts, wird durch das Wahlgesetz geregelt (Art. 39 Abs. 5 VvB). Entsprechend enthält das Gesetz über die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen vom 25. September 1987 (Landeswahlgesetz – LWahlG –; GVBl. S. 2370, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juli 2001, GVBl. S. 260) in den §§ 17 bis 19 hinsichtlich der Wahl zum Abgeordnetenhaus Regelungen über die Verteilung der Abgeordnetenhaussitze auf die Bezirks- oder Landeslisten der Parteien. § 17 Abs. 2 LWahlG bestimmt im einzelnen, dass die Sitze auf die Parteien auf Grund des Verfahrens der mathematischen Proportion (Hare-Niemeyer) verteilt werden. § 17 Abs. 3 Sätze 2 bis 6, Abs. 4 Sätze 2 bis 5 LWahlG regelt, dass die von einer Partei errungenen Sitze entsprechend dem Anteil der gültigen Zweitstimmen der Partei in jedem Wahlkreisverband an der gesamten Zweitstimmenzahl der Partei im ganzen Wahlgebiet auf Grund des Verfahrens der mathematischen Proportion auf deren Bezirkslisten verteilt und nach Abzug der errungenen Direktmandate aus der in der Bezirksliste festgelegten Reihenfolge besetzt werden. Nach diesen Regelungen entfallen auf die Bezirksliste Treptow-Köpenick zwei Listenmandate, während auf die Bezirksliste Tempelhof-Schöneberg ein Listenmandat entfällt. | 13 |
b) Das Anfallen eines Ausgleichsmandats für die CDU hat demgegenüber nicht zur Folge, dass diese Regelungen über die Sitzverteilung nicht zur Anwendung gelangen oder wieder außer Kraft gesetzt werden. | 14 |
§ 19 LWahlG sieht – anders als § 6 Abs. 5 Bundeswahlgesetz – den Ausgleich der zugunsten der Parteien angefallenen Überhangmandate vor, die den Parteien gemäß § 19 Abs. 1 LWahlG auch dann verbleiben, wenn sie die nach § 17 LWahlG ermittelte Anzahl von Sitzen übersteigen. Hierzu bestimmt § 19 Abs. 2 Satz 1 LWahlG, dass sich im Fall von Überhangmandaten die Anzahl der Parlamentssitze um so viele erhöht, wie erforderlich sind, um unter Einbeziehung der Überhangmandate die Sitzverteilung im Wahlgebiet nach dem Verhältnis der gesamten Zweitstimmenzahl der Parteien im Wahlgebiet zu gewährleisten (Ausgleichsmandate). Ferner ordnet § 19 Abs. 2 Satz 2 LWahlG an, dass die Landeswahlordnung das Nähere über die Berechnung bestimmt. Auf dieser Verordnungsermächtigung, die sich von der allgemeinen Verordnungsermächtigung des § 34 LWahlG ableitet und diese insofern konkretisiert, beruht § 73 Abs. 6 Buchst. d LWahlO. | 15 |
Art. 39 Abs. 5 VvB schreibt zwar vor, dass alles Nähere zur Wahl durch das Wahlgesetz geregelt wird. Der Gesetzgeber wird damit ermächtigt und zugleich verpflichtet, die Einzelheiten festzulegen. Nicht ausgeschlossen ist dadurch allerdings die Regelung von Einzelheiten durch Rechtsverordnung auf Grund gesetzlicher Ermächtigung (vgl. zum Bundesrecht: Magiera in Sachs, Grundgesetz, 2. Aufl. 1999, Art. 38 Rn. 114). In der Wahlordnung können die vielfach sehr allgemein gehaltenen Bestimmungen des Wahlgesetzes und die darin enthaltenen Grundgedanken weiter entwickelt und im Rahmen derselben ergänzende Regelungen getroffen werden (Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Aufl., 1984, S. 326). | 16 |
Die Verordnungsermächtigung des § 19 Abs. 2 Satz 2 LWahlG unterliegt im übrigen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Da sie mit der allgemeinen Verordnungsermächtigung des § 34 LWahlG eine Einheit bildet, besteht insbesondere kein Zweifel daran, dass Adressat der Verordnungsgermächtigung der Senat von Berlin ist. Auch entspricht § 19 Abs. 2 Satz 2 LWahlG den Anforderungen des Art. 64 Abs. 1 Satz 2 VvB, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen. Dem Konkretisierungsgebot des Art. 64 Abs. 1 Satz 2 VvB wird lediglich nicht genügt, wenn nicht mehr vorauszusehen ist, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die zu erlassende Rechtsverordnung haben kann (Michaelis-Merzbach in Driehaus [Hrsg], Verfassung von Berlin, 2002, Art. 64 Rn. 2). Der Gesetzgeber braucht aber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung nicht ausdrücklich im Gesetz zu bestimmen. Vielmehr gelten auch für die Interpretation von Ermächtigungsnormen die allgemeinen Auslegungsregeln. Der Sinnzusammenhang mit anderen Vorschriften, das Ziel, das die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, und die Entstehungsgeschichte können zur Auslegung herangezogen werden (BVerfGE 58, 257 <277>). | 17 |
§ 19 Abs. 2 Satz 2 LWahlG bezieht sich auf § 19 Abs. 2 Satz 1 LWahlG, der – wie dargelegt – zum Ausgleich von Überhangmandaten und damit zur Gewährleistung des Parteienproporzes unter Berücksichtigung des jeweiligen Zweitstimmenanteils der Parteien eine Erhöhung der Sitzzahl im Parlament vorsieht. Indem die Verordnungsermächtigung anordnet, dass die Landeswahlordnung „das Nähere über die Berechnung“ bestimmt, ermächtigt sie damit den Verordnungsgeber zur Herstellung dieses sog. parteiexternen Proporzes. Die entsprechende Regelung ist in § 73 Abs. 6 Buchst. d Sätze 1 bis 5 LWahlO erfolgt, die ihre jetzige Fassung durch eine Änderungsverordnung vom 25. September 1990 (GVBl. S. 2079) erhielten. Im einzelnen wird dort ein Berechnungsmodus für die neue Gesamtsitzzahl bestimmt und anschließend zur Verteilung der Sitze auf die Landeslisten bzw. alle Bezirkslisten einer Partei die erneute Anwendung des Verfahrens der mathematischen Proportion (Hare-Niemeyer) und somit eine § 17 Abs. 2 LWahlG entsprechende Berechnung angeordnet. | 18 |
Außerdem lässt sich § 19 Abs. 2 Satz 2 LWahlG die Ermächtigung für den Verordnungsgeber entnehmen, Regelungen zu treffen, wie angefallene Ausgleichsmandate im Fall des Vorhandenseins von Bezirkslisten parteiintern zu verteilen sind. Eine derartige Regelung ist durch die streitgegenständliche, durch die Sechste Verordnung zur Änderung der Landeswahlordnung vom 1. Februar 1999 (GVBl. S. 64) eingefügte Vorschrift des § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 6 LWahlO erfolgt, die wie folgt lautet: Bei der erneuten Verteilung auf die Bezirkslisten einer Partei wird die Zweitstimmenzahl zugrunde gelegt, die um die Zahl der für die Direktmandate anzurechnenden Zweitstimmen vermindert worden ist; die Zahl der anzurechnenden Zweitstimmen ergibt sich aus der Durchschnittszahl der für ein Mandat im Wahlgebiet abgegebenen Zweitstimmen der Partei multipliziert mit der Zahl der im Wahlkreisverband errungenen Direktmandate der Partei. |
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c) Allerdings hat der Landeswahlausschuss die Vorschrift des § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 6 LWahlO in einer Weise ausgelegt und angewandt, die nicht mehr von der Verordnungsermächtigung gedeckt ist. | 20 |
Die Wahlordnung darf nichts bestimmen oder auch nur zulassen, was mit Wortlaut, Sinn und Zweck des Wahlgesetzes und der Verordnungsermächtigung in Widerspruch steht oder über das hinausgeht, was das Wahlgesetz überhaupt geregelt haben will (vgl. zum Bundesrecht: Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Aufl. 1976, § 52 BWG Rn. 1; Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 7. Aufl. 2002, § 52 Rn. 2). | 21 |
Der Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 LWahlG bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber den Verordnungsgeber zu einer Regelung des innerparteilichen zwischenbezirklichen Ausgleichs in Gestalt einer völligen Neuverteilung der Sitze auf die einzelnen Bezirkslisten einer Partei ermächtigen wollte, die die auf Grund des § 17 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 LWahlG erfolgte Verteilung der Mandate auf die einzelnen Bezirkslisten einer Partei für den Fall von Überhang- und Ausgleichsmandaten aufhebt und dazu führen kann, dass eine Bezirksliste in Anwendung der Landeswahlordnung weniger Sitze zugeteilt bekommt als in Anwendung des Landeswahlgesetzes. Eine derartige Regelung durch Verordnung wäre zudem im Hinblick auf den sog. Wesentlichkeitsgrundsatz verfassungsrechtlich bedenklich. Sie würde zwar nicht den Gesichtspunkt der Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen tangieren, weil es bei der Verteilung der Mandate einer Partei auf die Bezirke um einen den Parteienproporz im Abgeordnetenhaus und damit den Erfolgswert der Stimmen nicht beeinflussenden parteiinternen Vorgang geht (Beschluss vom 31. Juli 1998 – VerfGH 82/95 – LVerfGE 9, 23 <28>). Wohl aber würde der Gesichtspunkt der Chancengleichheit der Bewerber berührt (vgl. zum Bundesrecht: Papier JZ 1996, 265 <274> zur Problematik der Unterverteilung von Bundestagssitzen auf die Landeslisten einer Partei bei Gewährung von Ausgleichsmandaten). Wahlrecht ist formales Recht. Regelungen zur Herstellung des sog. parteiinternen Proporzes dürfte der Gesetzgeber nicht dem Willen des Verordnungsgebers überlassen. | 22 |
§ 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 6 LWahlO gelangte erstmals bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin vom 10. Oktober 1999 zur Anwendung. Damals ergaben sich durch die abweichend von § 17 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 LWahlG vom Landeswahlausschuss vorgenommene Neuberechnung zufällig bei keiner der Bezirkslisten der Parteien negative Auswirkungen in Gestalt eines Sitzverlustes (vgl. Landeswahlleiter für Berlin, Berechnung der Mandate für das Abgeordnetenhaus, www.statistik-berlin.de/wahlen/aghbvvwahl-1999/mandate/mandate1.htm). Zu einem Sitzverlust hätte es jedoch kommen können, weil der Landeswahlausschuss – wie jetzt – zur Verteilung der Mandate auf die Bezirkslisten einer Partei nach seiner Auslegung des § 73 Abs. 6 Buchst. d. Satz 6 LWahlO eine neue Berechnung vornahm. Es wurde nämlich nicht nur wie bei § 17 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 LWahlG unter Zugrundelegung der der Partei zustehenden neuen Mandatszahl und der abgegebenen Zweitstimmen auf Grund des Verfahrens Hare-Niemeyer die Sitzverteilung errechnet. | 23 |
Bei dieser Auslegung und Anwendung des § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 6 LWahlO durch den Landeswahlausschuss, die das Entstehen weiterer Überhangmandate infolge des Abzugs der auf die Direktmandate entfallenden Zweitstimmen vermeidet, mag es sich um eine sachgerechte und an sich verfassungsrechtlich zulässige Lösungsvariante für die Frage der Sitzverteilung bei Entstehen von Ausgleichsmandaten handeln (vgl. zu verschiedenen Lösungsansätzen der Verteilung von Ausgleichsmandaten für den Fall ihrer Einführung im Bundeswahlrecht: Papier JZ 1996, 265 <273>). Da sich aber aus § 19 Abs. 2 Satz 2 LWahlG nicht entnehmen lässt, dass der Gesetzgeber den Verordnungsgeber und damit die Exekutive ermächtigen wollte, zur Herstellung eines parteiinternen zwischenbezirklichen Proporzes in die gesetzliche Regelung des § 17 Abs. 3 LWahlG einzugreifen und diese gewissermaßen wieder außer Kraft zu setzen, ist dieses Ergebnis mit dem Gesetz nicht vereinbar. § 19 Abs. 2 Satz 2 LWahlG enthält lediglich die Ermächtigung, in der Landeswahlordnung zu regeln, welche Bezirkslisten ungeachtet der ihnen bereits auf Grund des § 17 Abs. 3 LWahlG zugeteilten Sitze die zusätzlich angefallenen Ausgleichsmandate erhalten. Die Vorschrift des § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 6 LWahlO ist deshalb – entgegen der vom Landeswahlausschuss gewählten Vorgehensweise – gesetzeskonform in der Weise auszulegen, dass die durch die Anwendung von § 17 Abs. 3 und 4 Landeswahlgesetz gefundene Sitzverteilung beim Anfallen von Überhang- und Ausgleichsmandaten nicht in Frage gestellt bzw. wieder verändert wird. Schließlich kann das durch § 17 Abs. 3 und 4 LWahlG gefundene – vom Landeswahlleiter zu Unrecht als Zwischenrechnung angesehene – Ergebnis nicht mehr oder weniger zufällig davon abhängen, ob Überhang- oder Ausgleichsmandate überhaupt anfallen oder nicht. | 24 |
Eine gesetzeskonforme Auslegung des § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 6 LWahlO kann nur in der Weise erfolgen, dass es bei der ursprünglichen Berechnung nach § 17 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 LWahlG verbleibt und lediglich die Verteilung der „zusätzlichen Mandate“ (vgl. § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 5 LWahlO) in Gestalt angefallener Ausgleichsmandate vorzunehmen ist. Nicht aber dürfen die dem Zweitstimmenanteil entsprechenden 16 Listenmandate in Anwendung des Verfahrens Hare-Niemeyer völlig neu auf die Bezirkslisten verteilt werden. Im vorliegenden Fall darf allein das eine auf die CDU entfallene Ausgleichsmandat einer Bezirksliste zugeordnet werden. Zur Verteilung dieses Ausgleichsmandats sind die 16 Listenmandate nur solange unter Heranziehung der auf Grund des in § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 6 LWahlO beschriebenen Berechnungsverfahrens für jede Bezirksliste ermittelten Berechnungszahlen den einzelnen Bezirkslisten zuzuordnen, bis einer Bezirksliste ein Listenmandat zusätzlich zu den bereits nach § 17 Abs. 3 LWahlG verteilten Listenmandaten zugeordnet werden kann. Dies ist bei Erreichen der Bruchzahl 0,6947 hinsichtlich der Bezirksliste Steglitz-Zehlendorf der Fall. Dementsprechend war das „zusätzliche Mandat“ auf diese Bezirksliste zu verteilen. Eine weitere (Neu-)Verteilung findet nicht statt. | 25 |
Gegen diese Auslegung des § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 6 LWahlO kann auch nicht der Einwand des Landeswahlleiters durchgreifen, dies führe zu einem „systemwidrigen“ Ergebnis. Zwar ist richtig, dass nur eine vollständige „Neuverteilung“ aller Listenmandate einer Partei einschließlich eventueller Ausgleichsmandate auf ihre Bezirkslisten auf der Grundlage des in dieser Vorschrift vorgeschriebenen Verfahrens zu vollständiger mathematischer Systemgerechtigkeit führt. Da jedoch der in § 17 Abs. 3 und 4 LWahlG geregelten Verteilung der nicht durch Direktkandidaten errungenen Grundmandate einer Partei auf ihre Bezirkslisten ebenfalls ein mathematisches System zugrunde liegt, das nach den Regeln der mathematischen Proportion (Hare-Niemeyer) vorgeht, ist nicht ersichtlich, dass dessen Ergebnis gemessen an diesen Regeln „ungerechter“ wäre. Der Landeswahlleiter hat insoweit in der mündlichen Verhandlung selbst darauf hingewiesen, dass auch die „systemgerechte“ Anwendung der Regeln der mathematischen Proportion zu paradoxen Ergebnissen führen kann („Alabama-Paradox“: eine Liste erhält auf Grund eines mathematischen Sprungs bei einem bestimmten Zuwachs der Gesamtmandatszahl selbst weniger Mandate als ohne den Zuwachs). Vorliegend fügt sich trotz unterschiedlicher Bemessungszahlen das System des § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 6 LWahlO ohne weiteres in das übergeordnete System des § 17 Abs. 3 und 4 LWahlG ein, so dass der Gesichtspunkt einer mathematischen „Systemgerechtigkeit“ nicht zwingend auslegungsleitend sein muss, sondern den zuvor dargestellten Argumenten der Vorzug gegeben werden kann. | 26 |
Diese gesetzeskonforme Auslegung des § 73 Abs. 6 Buchst. d Satz 6 LWahlO hat zur Folge, dass die Nichtzuteilung eines zweiten Listenmandats an die Bezirksliste Treptow-Köpenick und damit die Nichtberufung des auf Platz 2 kandidierenden Einsprechenden fehlerhaft war. Da es bei der ursprünglichen Verteilung der Sitze nach § 17 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 LWahlG auf die Bezirkslisten verbleibt, die beiden Überhangmandate gemäß § 19 Abs. 1 LWahlG der Bezirksliste Reinickendorf zustehen und das Ausgleichsmandat der Bezirksliste Steglitz-Zehlendorf zusteht, entfallen auf die Bezirksliste Treptow-Köpenick zwei Listenmandate und auf die Bezirksliste Tempelhof-Schöneberg drei Direktmandate sowie ein Listenmandat. Der Einsprechende ist in das Abgeordnetenhaus zu berufen und der das – nicht angefallene – zweite Listenmandat der Bezirksliste Tempelhof-Schöneberg in Anspruch nehmende Beteiligte zu 9. ist abzuberufen. | 27 |
Dies ist vom Einsprechenden zwar als solches nicht beantragt worden und aus seiner Sicht zur Erreichung seines Rechtsschutzzieles auch nicht erforderlich. Die entsprechende Entscheidung war vom Verfassungsgerichtshof gemäß § 42 Nr. 5 VerfGHG jedoch von Amts wegen zu treffen, um die sich aus §§ 17, 19 LWahlG ergebenden Stimmrechtsverhältnisse der Parteien untereinander nicht zu beeinträchtigen. | 28 |
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG. | 29 |
Dieses Urteil ist unanfechtbar. | 30 |