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björn
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2002 - 13:28 Uhr: | |
Ich würde gerne das französische Wahlsystem mal verstehen. Besonders interessant finde ich die Parlamentswahlen. Es kann ja weder ein reines Verhältniswahlrecht sein, nocht ein MEhrheitswahlrecht. |
Martin Fehndrich
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2002 - 13:34 Uhr: | |
Da wollte ich immer mal was drüber machen, allerdings reichen für das Wahlgesetz mein rudimentären Sprachkenntnisse nicht aus. Mehrheitswahl in Einerwahlkreisen, mit einer Stichwahl, an der Kandidaten teilnehmen dürfen, die über 12,5% Stimmen der Wahlberechtigten erhalten haben. Gewählt ist wer im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der abgegeben Stimmen oder im zweiten Wahlgang am meisten Stimmen erhalten hat. Allerdings haben die Franzosen kein Problem damit, ihr Wahlsystem von Wahl zu Wahl völlig umzuwerfen. |
Thomas Frings
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2002 - 14:03 Uhr: | |
Die bürgerliche Regierung plant meines Wissens (habe ich mal in irgendeiner Zeitung gelesen) jetzt eine Änderung dahingehend, dass im 2. Wahlgang nur noch die beiden Bestplazierten aus der 1. Runde antreten. Bisher haben die Bürgerlichen viele Wahlkreise dadurch verloren, dass die FN ihnen im 2. WG mit einem dritten Kandidaten Stimmen wegnahmen. Übrigens ist im ersten Wahlgang neben der absoluten Stimmenmehrheit auch ein Quorum von 25% der Wahlberechtigten zu überspringen, was aber nur bei Nachwahlen eine Hürde darstellt. Jeder Kandidat hat auch einen Ersatzkandidaten. Erst wenn beide ausfallen, gibt es eine Nachwahl. Die Verzerrung durch die Mehrheitswahl ist noch viel krasser als in England. 1993 reichten knapp 40% für RPR und UDF zu über 80% der Mandate. Dieses Jahr erhielt die UMP mit 33,4% der Stimmen in der ersten Runde 355 von 577 Mandaten. Diese Verzerrung liegt aber nicht nur am Wahlrecht, sondern auch daran, dass es viel weniger ausgeprägte Hochburgen gibt als z.B. in England. Eine relativ gleichmässige Verteilung der Parteipräferenzen über das Land verschärft die Verzerrung natürlich gewaltig. |
björn
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2002 - 16:46 Uhr: | |
Vielen Dank, das hilft mir schon mal weiter. |
Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2002 - 17:32 Uhr: | |
@Martin Fehndrich: > Da wollte ich immer mal was drüber machen, allerdings reichen für > das Wahlgesetz mein rudimentären Sprachkenntnisse nicht aus. Nicht daß mein Französisch so berauschend wäre, aber wenn der Aufwand überschaubar ist, könnte ich da helfen. Hast Du die Texte vorliegen? Und welche Aspekte brauchst Du noch? |
zigzag
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2002 - 18:32 Uhr: | |
Das französische Parteiensystem der dritten und vierten Republik war von Zersplitterung und Regierungsinstabilität geprägt. Als de Gaulle 1958 die Verfassung änderte, führte er das in der dritten Republik gescheiterte absolute Mehrheitswahlrecht mit zwei Wahlgängen in Einerwahlkreisen, auch romanisches Mehrheitswahlrecht genannt, ein. Sofern im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten eines Wahlkreises die absolute Mehrheit erreicht, dürfen im zweiten Wahlgang alle diejenigen Kandidaten antreten, für die mehr als 12,5% der in die Wählerlisten Eingetragenen gestimmt haben. Dieses Wahlsystem zwingt die Parteien zu Wahlabsprachen für den zweiten Wahlgang, da keine Partei stark genug ist, um allein den Wahlsieg für ihren Kandidaten zu erringen. Hier gefunden: http://www.uni-jena.de/~sto/hausar/udf.htm Das Romanische Mehrheitswahlrecht Nationalversammlung wird in zwei Wahlgängen bestimmt... gute Erklärung vom ZDF: http://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/0,1367,POL-0-185374,FF.html Ich hoffe, dass du damit was anfangen kannst. |
Martin Fehndrich
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2002 - 21:46 Uhr: | |
Einen Französischsprachigen Link habe ich hier: http://www.interieur.gouv.fr/rubriques/b/b3_elections/tout_savoir_sur_les_elections Mir ist insb. nicht klar, wer in die Stichwahl kommt, wenn nur ein oder kein Kandidat das Kriterium >12,5% erfüllt. |
Thomas Frings
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2002 - 23:30 Uhr: | |
Dazu steht in dem Link nichts (den fand ich übrigens trotz meiner geringen Französisch-Kenntnisse halbwegs verständlich). Soweit ich weiß, treten in dem Fall die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen an. |
Ruedi Lais
| Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2002 - 15:00 Uhr: | |
1. Wahlgang: Gewählt ist, wer über 25% der Wahlberechtigten UND über 50% der gültigen Stimmen erreicht hat. Ist niemand gewählt, kommt es zu einem 2. Wahlgang. Hiefür sind qualifiziert die beiden Bestplatzierten des 1. Wahlgangs UND alle anderen, welche >12.5% der Wahlberechtigten erreicht haben. Bei den diesjährigen Wahlen wurde Klausel 2 für den 1. Wahlgang nur in einem einzigen Wahlkreis angewandt. Mehr als 3 Kandidierende im 2. Wahlgang gab es nirgends. In einigen Wahlkreisen gab es sogar nur noch 1 Kandidierenden, weil sich der Konkurrent aus dem eigenen politischen Lager zurückgezogen hatte. Quelle: http://www.assemblee-nationale.fr/connaissance/collection/8.asp http://www.assemblee-nationale.fr/connaissance/collection/8.asp |
Ruedi Lais
| Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2002 - 16:35 Uhr: | |
Es sollte in meinem vorigen Beitrag natürlich heissen "Klausel 1 für den 1. Wahlgang".... Sorry |
Martin Fehndrich
| Veröffentlicht am Sonntag, 29. September 2002 - 22:51 Uhr: | |
@Ruedi heißt das es hat zweite Wahlgänge gegeben, in denen nur ein Kandidat angetreten ist? Ich hab mal versucht das wichtigeste zusammen zu fassen http://www.wahlrecht.de/ausland/franzoesisch.html Verbesserungsvorschläge willkommen |
Moersberg
| Veröffentlicht am Sonntag, 29. September 2002 - 23:24 Uhr: | |
"heißt das es hat zweite Wahlgänge gegeben, in denen nur ein Kandidat angetreten ist?" Exactement: Stichwahl PS gegen PCF; PCF-Vertreter im ersten Wahlgang schwächer - zieht zurück. (z.B. Parlamentswahl 1997, Wahlkreis Longwy, Département 54) |
Thomas Frings
| Veröffentlicht am Sonntag, 29. September 2002 - 23:54 Uhr: | |
Zur Wahlkreiseinteilung: Nach welchem Schlüssel die Wahlkreise eingeteilt wurden, weiss ich auch nicht. Auf jeden Fall aber hat jedes Departement (96 im Mutterland u. 4 in Übersee) unabhängig von der Einwohnerzahl zwei Wahlkreise. Nur Übereseeterritorien können auch nur einen haben (z.Z. Mayotte u. St.Pierre& Miquelon). So sind kleine, meist ländliche, DEpartements krass überrepräsentiert. 1999 betrug die durchschnittliche Einwohnerzahl im Mutterland 105400, in einem der beiden Wahlkreise im Dep. Lozere waren es nur 34374. Der grösste Wahlkreis im Dep. Val d'Oise hatte 188200 Einwohner. Und das Überseegebiet St-Pierre-et-Miquelon (ich glaube das liegt vor der kanadischen Küste) hatte nur 6316 Einwohner. |
Moersberg
| Veröffentlicht am Montag, 30. September 2002 - 14:44 Uhr: | |
zu "häufiger Wechsel des Wahlsystems nicht unüblich": Bei den Wahlen zur Assemblée wurde ein einziges Mal - 1986 - nach Verhältniswahlrecht gewählt. Das führte dazu, dass die Front National entsprechend ihres Stimmanteils von mehr als 10% repräsentiert war. Daraufhin kehrte man bei der nächsten Wahl 1988 (vorzeitig) zum alten System zurück. Das mehrstufige Mehrheitswahlrecht macht es für Kandidaten der FN von wenigen Ausnahmefällen (Toulon) abgesehen fast unmöglich, in die Assemblée einzuziehen, da diese auf Wahlkreisebene nicht auf 50% Zustimmung kommen. Das französische Wahlrecht begünstigt in der Praxis eine Bildung zweier politischer Lager, die ihrerseits jedoch aus mehreren Parteien bestehen. "Koalitionen" werden also bereits vor der Wahl geschlossen. Die PS als Anführerin des Linksblocks lässt deswegen mehrere Wahlkreise zugunsten von Kandidaten der PRG und der VERTS unbesetzt, da diese als kleinere Parteien ohne regionale Hochburgen nur so im Parlament vertreten sein können. Im Gegenzug sichert man sich die Unterstützung deren Anhänger in Stichwahlen mit PS-Kandidaten. Allzu große Zersplitterung und Uneinigkeit innerhalb eines Lagers wirkt sich in der Regel erheblich zu dessen Nachteil aus, so geschehen 1997 bei der Niederlage der Rechten und 2002 bei der Niederlage der Linken. |
Mia
| Veröffentlicht am Freitag, 28. November 2003 - 09:57 Uhr: | |
Ich würde gerne ein paar Informationen über das englische und amerikanische Wahlsystem erhalten! Danke |
Bernhard Nowak
| Veröffentlicht am Sonntag, 30. November 2003 - 11:09 Uhr: | |
Mia, es handelt sich beim englischen und amerikanischen Wahlrecht um das relative Mehrheitswahlsystem in Einerwahlkreisen. Genaueres findest Du unter: http://www.wahlrecht.de/systeme/mehrheitswahl.htm#relativ |
Matthias
| Veröffentlicht am Montag, 18. April 2005 - 17:02 Uhr: | |
Hallo alle zusammen, ich habe ein riesen problem, ich muss einen vortrag über die Entwicklung des französischen Wahlrechts halten, könnt ihr mir bitte eine Internetseite empfehlen oder sowas ähnliches? bitte per Email mitteilen... DANKE DANKE DANKE |
sebu
| Veröffentlicht am Montag, 18. April 2005 - 17:18 Uhr: | |
http://www.wahlrecht.de/ausland/franzoesisch.html Zwei Werke, gefunden auf http://www.math.uni-augsburg.de/stochastik/bazi/literature.html Tecklenburg (1911) Adolf Tecklenburg: Die Entwicklung des Wahlrechts in Frankreich seit 1789. Tübingen, 1911. Nohlen (2000) Dieter Nohlen: Wahlrecht und Parteiensystem. Dritte Auflage. Opladen, 2000. [Erste Auflage: Leverkusen, 1986. Zweite Auflage: Leverkusen, 1990.] Letzteres ist immer eine ganz gute Wahl. |
Fabian (Unregistrierter Gast)
| Veröffentlicht am Dienstag, 29. November 2005 - 19:45 Uhr: | |
Hallo Leute, Wie würdet ihr das jetzige französische Parteiensystem beschreiben. Ist es immernoch eine Quadrille bipolaire oder geht es es doch mehr zum fragmentation or multi party system. Bein Antworten bitte mit Begründung. Danke schon mal. Viele Grüße aus Schottland |
Tim Spier
| Veröffentlicht am Dienstag, 29. November 2005 - 20:12 Uhr: | |
Es handelt sich im wesentlichen immer noch um ein bipolares System. Strukturell begründet durch das Mehrheitswahlrecht, aber faktisch auch noch dadurch gestärkt, dass es letztlich zur Lagerbildung kommt. Ein gutes Beispiel sind die französischen Grünen, die bis in die frühen 90er Jahre eher eine Politik der Äquidistanz zwischen bürgerlichen und linken Lager gefahren haben. Da dies aber durch das Mehrheitswahlrecht sanktioniert wird, haben sich sich nach links geöffnet und arbeiten mit Sozialisten und Kommunisten zusammen, haben Wahlabsprachen und sind mit ihnen an Regierungen beteiligt. Parteien außerhalb der Lager, etwa der relativ stimmstarke Front National, haben nur in Ausnahmefällen eine Chance auf parlamentarische Repräsentation. |
ben (Unregistrierter Gast)
| Veröffentlicht am Samstag, 04. März 2006 - 15:26 Uhr: | |
brauche kritik an französische wahlsystem |
AeD (Unregistrierter Gast)
| Veröffentlicht am Samstag, 04. März 2006 - 21:40 Uhr: | |
@Ben Kritik: Das französische Wahlrecht gibt es als Gesetz nur auf Französisch. |
Sarah (Unregistrierter Gast)
| Veröffentlicht am Freitag, 10. August 2007 - 21:20 Uhr: | |
Hallo allerseits, weiss jemand (online)Literatur zu den Gründen der Entstehung der quadrille bipolaire? |
eve (Unregistrierter Gast)
| Veröffentlicht am Mittwoch, 26. September 2007 - 22:29 Uhr: | |
Hallo weiß jemand den grund, warum der Front national FN trotz seiner 5% bei den Parlamentswahlen nicht in die Assemlée nationale eingezogen ist. vielen dank |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Donnerstag, 27. September 2007 - 09:03 Uhr: | |
Antwort: Das ist eine normale Eigenschaft des Mehrheitswahlrechts. Darüber kann man bzw. frau ja selbst ohne weiteres eine Menge in diesem Forum finden. |
walterk Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Mittwoch, 09. April 2014 - 17:43 Uhr: | |
Um mir ein Bild über die franz. Kommuanlwahlen zu machen, Gibt es regionale Nachrichten bzgl. der franz. Kommunalwahl auf deutsch? Könnte mir evtl. Elsass-Lothringen vorstellen; konkret hatte mich die pol. Situation in Forbach, nahe Saarbrücken interessiert, hab aber leider nichts gefunden. |
Thomas Frings
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Donnerstag, 05. April 2018 - 22:20 Uhr: | |
Macron will die Zahl der Mitglieder beider Kammern um jeweils 30% senken, bei der Nationalversammlung von 577 auf 404 und beim Senat von 348 auf 244. Außerdem sollen 61 Mitglieder der Nationalversammlung proportional gewählt werden. Wie genau, ist noch offen. Politisch dürfte dies keine allzu großen Veränderungen bringen. Die FN dürfte am ehesten profitieren, aber selbst wenn sie ein Drittel der Proporzsitze bekäme, wären das nur 5% aller Sitze. Wer nicht massiv in den Wahlkreisen gewinnt, wird weiterhin keine große Fraktion stellen. |