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01.06.2005

Muss die Landtagswahl in einem sächsischen Wahlkreis wiederholt werden?

Der Wahlprüfungsauschuss des Sächsischen Landtags hat zum 3. Juni 2005, um 10:00 Uhr im Plenarsaal, eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt, um in zwei Wahlprüfungsverfahren die Sachlage weiter zu klären und zu beraten: Zwei Wahlberechtigte hatten nach der Landtagswahl am 19. September 2004 Einspruch eingelegt. Sie bestreiten das passive Wahlrecht des Wahlkreissiegers Wolfram Köhler (CDU) mit der Begründung, Köhler habe nicht wie im Wahlgesetz vorgesehen durchgehend zwölf Monate vor der Wahl in Sachsen gelebt. Sollten diese Einsprüche erfolgreich sein, könnte es eine Wiederholung der Wahl des Direktkandidaten im betreffenden Wahlkreis 37 – Riesa-Großenhain 1 – geben.

Nach Medienberichten (z. B. SVZ-online vom 21. April 2005), dass die Meldeakte Köhlers verschwunden sei, hatte die Stadt Riesa zwischenzeitlich erklärt, dass ihr ehemaliger Oberbürgermeister Wolfram Köhler seit 1991 eindeutig und nachweisbar in Riesa wohne. Trotzdem konnten anscheinend nicht alle Bedenken in der letzten Sitzung des Ausschusses am 5. Mai 2005 beseitigt werden.

Mögliche Folgen

Ein Erfolg der Einsprüche gegen die Wahl Köhlers, der am 18. April 2005 sein Mandat niedergelegt hat, könnte aber noch weitere, teilweise ungewöhnliche Konsequenzen haben. Die wahrscheinlichsten wären

Der Mandatsanteil der CDU würde sich damit sogar verbessern (CDU ärgert sich über ein Direktmandat zuviel – Meldung vom 19.09.2004). CDU (54 Sitze) und FDP (7 Sitze) hätten eine knappe Mehrheit (61 Sitze), die jedoch nur auf der (noch) zulässigen Verwendung des große Parteien bevorzugenden d’Hondtschen Höchstzahlverfahrens und nicht auf der Zahl der für die im Landtag vertretenen Parteien abgegebenen Listenstimmen beruhen würde.

Sitzverteilung bei 121 Sitzen
Partei Listenstimmen
absolut
Sitzanteil
relativ
Sitze
(nach d’Hondt)
CDU855.20352,5254
PDS490.48830,1230
SPD204.43812,5512
NPD190.90911,7212
FDP122.6057,537
Grüne106.7716,566
Summen:1.970.414121,00121
Divisor: 15.830 Stimme/Sitzen

Diese Mehrheit, die nach Medienberichten (LVZ vom 7. Mai 2005) in einigen Kreisen wegen ihrer Eignung als Drohkulisse gegenüber der SPD für Aufsehen sorgte, wäre aber angesichts des bekannten unorthodoxen Abstimmungsverhaltens der sächsischen Landtagsabgeordneten mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht stabil. Ebenso wäre auch für das dann verbliebene und nicht ausgeglichene Überhangmandat der CDU eine Analogie zu den nur teilweise ausgeglichenen Überhangmandaten in Brandenburg und Sachsen-Anhalt (siehe Meldung vom 26.05.2005 – Ministerpräsident Böhmers Einzug in den Landtag umstritten) nicht einfach von der Hand zu weisen, so dass die knappe Mehrheit schon beim nächsten Ausscheiden eines CDU-Abgeordneten dahin sein könnte.

Eventuelle Neuwahlkandidaten

Wenn bei einer Entscheidung über eine Neuwahl im betroffenen Wahlkreis nur die alten Direktkandidaten (ohne Wolfram Köhler, CDU) kandidieren dürften, wären dies
CDU: keiner – PDS: Caren Nicole Lay – SPD: Rainer Dietmar Damaschke – Grüne: Volker Herold – NPD: Jörg Reißner – FDP: Hans Christian Schreiber

Eventuelle Auswirkungen auf die personelle Zusammensetzung des Landtags

Die Neuwahl könnte dann folgenden Einfluß auf die personelle Zusammensetzung des Landtags haben:

    Parteiinterner Austausch von Listenkandidaten im Falle eines erfolgreichen Wahlkreiskandidaten:
  1. im Wahlkreis Hans Christian Schreiber (FDP) statt von der Liste Dr. Jürgen Andreas Michael Martens (FDP),
  2. im Wahlkreis Rainer Dietmar Damaschke (SPD) statt von der Liste Dr. Liane Ilse Anneliese Deicke (SPD),
  3. im Wahlkreis Volker Herold (Grüne) statt von der Liste Johannes Ekkehard Lichdi (Grüne),
  4. im Wahlkreis Jörg Reißner (NPD) statt von der Liste Jürgen Gansel (NPD).
  5. Die Wahl von Caren Nicole Lay (PDS) würde die personelle Zusammensetzung dagegen bestätigen, da sie über die Liste schon im Landtag sitzt.
Das heißt, wenn nicht die Kandidatin der PDS gewählt würde, gäbe es nur einen parteiinternen Austausch bei der Partei des dann gewählten Wahlkreiskandidaten.

Breiter Entscheidungsspielraum des Wahlprüfungsausschusses

Allerdings besteht bei der vom Wahlprüfungsausschuss vorzunehmenden Entscheidung ein relativ großer Spielraum, so dass es beispielsweise auch denkbar ist, dass es bei einer eventuellen Neuwahl andere als die alten Wahlvorschläge geben darf, bzw. – wegen der ungewöhnlichen Konstellation – die Ausgleichsmandate nicht aberkannt werden.

16.07.2005

Update: Wahlprüfungsausschuss und Landtag weisen Einsprüche zurück

Der Sächsische Landtag ist am 13.07.2005 den Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschusses vom 08.07.2005 gefolgt und hat alle verbliebenen Wahleinsprüche mehrheitlich abgelehnt. Allerdings ist die Entschtscheidung nicht unumstritten, die FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag hält eine Wiederholung der Landtagswahl 2004 im Wahlkreis 37 (Riesa-Großenhain 1) nach einer Pressemitteilung vom 08. Juli 2005 für notwendig.

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von Martin Fehndrich und Matthias Cantow (letzte Aktualisierung: 06.01.2006)