Wahlumfragen

[Wahlrechtslexikon]

Der Inhalt dieser Seite entspricht dem Stand der Erstellung am 9. September 2002, die theoretischen Grundlagen gelten gleichwohl immer noch.

Informationen zur Methodik der von uns zusammengestellten Umfragen

Wir wollen auf den Seiten von Wahlrecht.de in den Medien veröffentlichte Wahlumfragen nur dokumentieren. Was wir nicht wollen ist, diese in der Art eines Pferderennens („horse-race journalism“) zu präsentieren. Bei der Beurteilung und Bewertung der Umfragen sollte man sich der Grenzen demoskopischer Daten bewusst sein. Die allgemeinen methodischen Informationen der Umfragen werden daher hier – soweit bekannt – aufgeführt.

Systematische Fehler

Der statistische Fehler

Bei der Befragung von n Wählern und einem Wähleranteil von p = 1 − q ergibt sich der ungefähre mittlere Fehler (Standardabweichung) zu sigma = wurzel(pq / n)

Das heißt, bei n = 1.000 Befragten ergibt sich ein mittlerer Fehler einer 50-Prozent-Partei von 1,6 Prozent und einer 10-Prozent-Partei von 0,95 Prozent. Der mittlere Fehler besagt, dass in ca. 66 % aller Fälle der Wert innerhalb der Fehlergrenzen des mittleren Fehlers liegt, in einen Drittel der Fälle liegt der wahre Wert außerhalb dieser Grenzen.
Für eine 95 %-ige Genauigkeit ergibt sich ein doppelt so hoher Wert, also ca. 3 Prozent bei einer großen Partei und 2 Prozent bei einer kleinen Partei.

Um den statistischen Fehler einer Umfrage zu halbieren, muss man die Zahl der Befragten vervierfachen. Noch schwieriger erscheint es einen Trend (das heißt, einen Unterschied zwischen zwei Umfragen) festzustellen, da dieser von den recht großen Schwankungen überlagert wird.

Eine Studie von Wahlrecht.de (Umfragewertdifferenzanalyse) führte zu dem Ergebnis, dass die Varianz der nacheinander durchgeführten Umfragen niedriger ist, als es statistisch zu erwarten wäre.

Denkbare Ursache könnte eine strenge Neugewichtung der Umfragedaten aufgrund des erfragten letzten Wahlverhaltens sein.

Angaben einiger Meinungsforschungsinstitute zu ihren Umfragen (soweit ermittelbar, Stand: August 2002)

Meinungsforschungsinstitut Zahl der
Befragten
Fehler für
große Parteien
Fehler für
kleine Parteien
Die Zahl der Befragten und den Befragungszeitraum einer konkreten Umfrage geben wir –
soweit uns bekannt – zusammen mit den Umfragedaten auf der Umfrageseite der jeweiligen
Institute an.
Allensbach 1.000
Emnid 1.000 +/− 2,5 %
Forschungsgruppe Wahlen 1.050 3 % 1,6 %
Infratest dimap 1.000 3,1 % 1,4 %
Infratest dimap 1.300 2,7 % 1,2 %
Forsa 2.500 2,5 %

Methodische Informationen

Nach den Empfehlungen von WAPOR und AAPOR sollte die Präsentation von Umfragedaten zumindest folgende Informationen enthalten:

Diese Informationen werden durch die Presse zumeist nur zu einem Teil, und zwar in der aufgeführten Reihenfolge mit abnehmender Häufigkeit veröffentlicht.

Folgende Informationen zur Sonntagsfrage werden mit den Umfragen veröffentlicht bzw. von den einzelnen Instituten angegeben:

Allensbach

Die Umfragen sind persönliche Umfragen (face to face), wobei ein Interviewer nicht mehr als 9 Wähler befragen sollte. Allensbach ermittelt durch Fragen nach der letzten Wahl (u. a.) das Meinungsklima. Der Meinungsklimadruck verzerre das Umfrageergebnis (Schweigespirale), das daher entsprechend korrigiert werde. Die Entwicklung der politischen Stimmung lasse sich darüberhinaus durch die Ermittlung der Meinungsführer prognostizieren (vgl. Elisabeth Noelle Neumann, Der Beitrag der Wahlforschung zur Methodenentwicklung der empirischen Wahlforschung).

Forsa

Im Auftrag von stern und RTL befragt Forsa telefonisch repräsentativ täglich 500 ausgesuchte Bundesbürger in Ost und West, also insgesamt von Freitag bis Montag ca. 2.500.

Infratest dimap

Infratest dimap ermittelt im Auftrag der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ und von neun Tageszeitungen monatlich das aktuelle politische Meinungsbild in der Bundesbevölkerung und veröffentlicht die Ergebnisse als DeutschlandTREND. Die zugrundeliegende Erhebung ist eine Telefonbefragung (CATI) von rund 1.300 Wahlberechtigten in Deutschland (900 in West- und 400 in Ostdeutschland). Den Ergebnissen der Sonntagsfrage ist eine Übersicht über die Untersuchungsanlage nachgestellt. In dieser werden die Fehlertoleranzen mit einem Intervall von 1,2 (bei einem Anteilswert von fünf Prozent) bis zu 2,7 Prozentpunkten (bei einem Anteilswert von 50 Prozent) angegeben.

Emnid

Emnid befragt zur Sonntagsfrage im Auftrag von n-tv wöchentlich ca. 1.300 Wahlberechtigten „Wen würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahlen wären?“ Die Umfragewerte basieren auf 1.000 repräsentativ ausgewählten Wählern. Deren Antworten unterliegen allerdings einer Fehlertoleranz von +/−2,5 %. Das heißt, wenn wir derzeit 40 % für die Union feststellen, bedeutet das, dass der wahre Wert zwischen 37,5 und 42,5 % liegt. Innerhalb dieser Fehlertoleranz bewegen sich fast alle Umfragen. Genauer geht es – leider – nicht.

Das Auswahlmodell sieht exakt so aus, dass Emnid über 100.000 durch Zufall ausgewählte Telefon-Nummern verfügt, deren letzte Ziffer durch Zufall hinzugespielt wird. Innerhalb der so angewählten Haushalte wird die Zielperson nach einem Zufallsschlüssel ermittelt, um auszuschließen, dass die Personen mit häufigerer Anwesenheit eine größere Chance haben, befragt zu werden. (Klaus-Peter Schöppner im n-tv-Chat).

Forschungsgruppe Wahlen

Die Umfragen zum Politbarometer werden immer von der Mannnheimer Forschungsgruppe Wahlen durchgeführt. Die Interviews werden in einem Zeitraum vom 4 Tagen unter 1.050 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten telefonisch erhoben. Die Befragung ist repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in ganz Deutschland. Die Fehlertoleranz bei den großen Parteien beträgt 3 Prozentpunkte, bei den kleineren rund 1,6 Prozentpunkte.

Die Forschungsgruppe unterscheidet dabei zwischen der Stimmung und der Projektion. Da mit Umfragen immer nur Stimmungen in der Bevölkerung zum Zeitpunkt der Befragung gemessen werden, sind Schlussfolgerungen auf eine mögliche Wahlentscheidung an einem weit entfernten Wahltag nicht zulässig. Aus diesem Grund veröffentlicht das Politbarometer die Projektion bei der die in den aktuellen Untersuchungen gemessenen Stimmungen auf ein Wahlergebnis für eine Bundestagswahl übertragen werden, falls diese am nächsten Sonntag stattfinden würde. Dieser erechneten Projektion liegen die Erkenntnisse über die langfristige, sozialstrukturell begründete Stabilität im Wählerverhalten bei Bundestagswahlen zugrunde sowie Erkenntnisse über den theoretischen Ausgang einer Bundestagswahl unter normalen Bedingungen, das heißt ohne die aktuelle Überzeichung (SZ vom 28. April 2002, S. 10).

Einfluss der Umfragen auf die Wahlen?

Ein Einfluss von veröffentlichten Umfragen auf die Wahlergebnisse lässt sich empirisch nicht belegen. Der manchmal unterstellte Einfluss auf die Wahlbeteiligung sei dabei eine Mobilisierung bei einem progostizierten knappen Wahlausgang bzw. Demobilisierung bei einem klaren Ausgang (Lethargie, Defätismus oder Bequemlichkeit). Bei der Wahlentscheidung soll die Bekanntgabe eines wahrscheinlichen Wahlergebnisses mal zu einem Bandwaggon Effekt (man wählt den wahrscheinlichen Sieger), mal zu einem Underdog-Effekt (Mitleidseffekt) führen. Ein empirischer Nachweis steht allerdings noch aus (vgl. Frank Brettschneider in „Demoskopie im Wahlkampf, Leitstern oder Irrlicht“).


von Martin Fehndrich (03.08.2002, letzte Aktualisierung: 09.09.2002, letzte Überprüfung der Links: 08.12.2008)