Ungarns Parlament, die Nationalversammung (Országgyűlés [ungarisch]), ist ein Ein-Kammer-Parlament.
Das Wahlprocedere wird in der Verfassung und im Gesetz Nr. CCIII von 2011 geregelt.
Reguläre Wahlen finden alle vier Jahr statt und müssen laut Verfassung im April oder Mai des Wahljahres stattfinden. Für 2018 wurde vom Staatspräsidenten als Wahltermin der 8. April festgelegt.
Wahlberechtigt sind volljährige ungarische Staatsbürger, auch solche, die im Ausland leben.
Die Zahl der Abgeordneten beträgt 199, davon werden 106 direkt in Wahlbezirken gewählt (Direktmandate), 93 über landesweite Parteilisten (Listenmandate). Überhangs- oder Ausgleichsmandate wie in Deutschland gibt es nicht.
Es gibt nur einen Wahlgang.
II. Kandidaten und Wahllisten
Direktkandidaten können von Parteien aufgestellt werden – mehrere Parteien können auch einen gemeinsamen Kandidaten aufstellen –, oder sie kandidieren als Unabhängige. Zur Aufstellung sind je Wahlbezirk mindestens 1000 sogen. „Empfehlungsscheine” von eingetragenen Wahlberechtigten für den Kandidaten vorzuweisen.
Landeslisten können von Parteien (Parteilisten) oder von Selbstverwaltungen von nationalen Minderheiten (Nationalitätenlisten) aufgestellt werden.
Parteilisten können Parteien aufstellen, die in Budapest und in mindestens 9 der 19 Komitate in insgesamt 27 Wahlbezirken einen eigenen Kandidaten aufstellen können. Die Zahl der Kandidaten auf Parteilisten darf maximal 279 (= 93 × 3) betragen.
Zur Aufstellung einer Nationalitätenliste sind Empfehlungen von mindestens 1 % der wahlberechtigten Angehörigen der Nationalität, mindestens aber 1.500 Empfehlungen erforderlich.
III. Mandatsverteilung
Bei der Wahl haben die Wähler zwei Stimmen: eine für einen Direktkandidaten und eine für eine Parteien- oder Nationalitätenliste. Wahlberechtigte mit Wohnsitz im Ausland können nur für eine Parteien- oder Nationalitätenliste stimmen.
A) Direktmandate
Für ein Direktmandat ist die einfache Mehrheit der Stimmen im Wahlbezirk erforderlich, ein Quorum (Mindestwahlbeteiligung) gibt es nicht.
Die für den Gewinn des Direktmandats sozusagen „nicht verbrauchten“ Stimmen werden als „Bruchteilstimmen” den landesweiten Parteilisten gutgeschrieben.
Beispiel: In einem Wahlkreis stimmen 40.000 Wähler für Kandidat A, und 20.000 für Kandidat B. Das Mandat erhält A. Die 20.000 Stimmen für den unterlegenen Kandidaten B werden komplett seiner Partei BBB gutgeschrieben, der Partei AAA von Kandidat A wird die Differenz(–1) gutgeschrieben, mit der er das Direktmandat gewonnen hat, also (40.000–20.000–1=) 19.999. Hätten beide Kandidaten nur 10 Stimmen auseinandergelegen, würden Partei AAA nur 9 Stimmen gutgeschrieben.
B) Listenmandate
Für die Vergabe der 93 Listenmandate werden zu den Stimmen für die Parteilisten die „Bruchteilstimmen“ aus den individuellen Wahlkreisen zusammengezählt.
Für die Listenmandate gilt eine 5%-Hürde, bei gemeinsamen Listen von zwei Parteien liegt sie bei 10%, im Falle von drei oder mehr Parteien bei 15%.
Die Listenmandate werden nach der d’Hondt-Methode ermittelt.
Für nationale Minderheiten gilt eine deutlich geringere Hürde: Sie können ein Listenmandat (und nur eines) erhalten, wenn ihre Stimmenzahl ein Viertel der Stimmenzahl erreicht, die durchschnittlich für jedes der 93 Listenmandate abgegeben wurde (sogen. „Präferenzquote“). Beispiel: 10 Parteienlisten + eine Nationalitätenliste erhalten insgesamt 4 Millionen Stimmen auf den Landeslisten (inkl. Bruchteilstimmen), 5 Parteien davon erreichen die 5%-Hürde, ihre Stimmenzahl betragt 3 Millionen. Je Listenmandat sind das durchschnittlich 32.258,1 Stimmen, für ein Nationalitätenmandat ist nur ein Viertel davon, also 8.065 Stimmen erforderlich.
C) Nachbesetzung von Mandaten
Direktmandate: Gibt es im Wahlbezirk keinen Kandidaten oder Stimmengleichheit, oder verliert der gewählte Kandidat sein Mandat oder stirbt, sind im betreffenden Wahlbezirk Nachwahlen durchzuführen. Dafür gelten die Regeln wie bei einer regulären Wahl.
Listenmandate: Wird ein Listenmandat frei, rückt ein Kandidat der ursprünglichen Liste nach. Die Partei oder Nationalitätenverwaltung kann dabei von der ursprünglichen Reihenfolge abweichen. Gibt es keine weiteren Kandidaten auf der Liste, bleibt das Mandat unbesetzt.
von Dirk Wölfer (02.02.2018, letzte Aktualisierung: 02.02.2018, letzte Aktualisierung der Links: 08.04.2016 – Stand des Wahlrechts: 02.02.2018)